blœde = schwach, zart

blödi = unwissend, scheu




UND HIER DAS NEUESTE AUS DER BLÖD-REDAKTION:



Faschismus, Faschismen und Faschisierungen.
Ein methodischer Vorschlag zur Kritik von Post-, Teil- und Neo-Faschismus in unserer Gesellschaft.
Von Georg Seeßlen


I
Jedem Gespräch über Faschismus, einst, jetzt und überhaupt, sind Fragen vorgelagert, die die nachfolgenden Debatten zu einem Hindernislauf machen: Was meinst du eigentlich, wenn du von Faschismus sprichst? Wie willst du denn die widersprüchliche Totalität erfassen, die von einer terroristischen Staatsform bis zu einem subjektiven Charaktermerkmal reichen muss? Wie soll man wissenschaftlich-kritisch über etwas sprechen, woran ohne Empörung und Entsetzen gar nicht zu denken ist? Was ist mit deiner Familien-Geschichte? Und noch etwas: Faschismus, wie du’s auch drehst und wendest, ist nichts, was in Raum und Zeit außerhalb steht, es zieht sich mitten durch unsere Gesellschaft, deren Teil wir sind. Es ist kein äußeres Geschehen, es ist eine innere Krankheit. Ansteckend, vererbbar, toxisch, epidemisch. Einem System, dem man mit einem ganzheitlichen Modell nicht recht beikommt, begegnet man in aller Regel mit gewissen Aufspaltungen und Differenzierungen. So können wir immerhin schon etwas präziser werden, wenn wir uns auf verschiedene Methoden der Analyse verständigen: Eine politische, eine soziologische, eine ökonomistische, eine psychoanalytische, eine kulturelle, nicht zuletzt auch eine semantische Theorie des Faschismus. Dabei freilich bleibt immer noch der Faschismus als Ganzes bestehen, den wir mit ein paar Schlüssel-Vorstellungen genügend umrissen wähnen: Anti-Modernismus und Retromanie, Demokratie-Verachtung, Militarismus, Führerkult, phallokratische Männerbünde, Ornament der Masse, Identität von Volk und Staat, Ästhetisierung des Politischen, Rassismus und Antisemitismus, Imperialismus, Reaktion auf kapitalistische Krisen, Nation und Heimat als Identifikation, autoritäre Persönlichkeit, Mordlust und Todeswunsch, barbarische Technifizierung, Todesbürokratien, soldatische Erziehung, Sprachregelung, freudianischer Todestrieb als Ideologie, Manipulation und Propaganda als Kommunikation, Antikommunismus, architektonische und anatomische Brutalität, völkische Ordnung der Welt, ständische Ordnung der Gesellschaft, Erziehung und Selbsterziehung zur Grausamkeit, Verachtung der Schwäche, Verachtung des Geistes, Fetisch-Charakter der Zeichen, panische Homophobie ... Der Katalog könnte endlos weiter ausgeführt werden, und je kleinteiliger die Zuschreibungen werden, desto größer der Schrecken: Diese Elemente sind ja schon da, mitten in der bürgerlichen Gesellschaft, mitten in der Nachbarschaft, in den Medien, in den Familien, an den Arbeitsplätzen. Man würde da nicht gleich von Faschismus sprechen, wie auch?, die liberale Demokratie und die freie Marktwirtschaft, die müssen so ein bisschen Fascho-Anmutung doch aushalten. Die rote Linie, die dabei tunlichst nicht überschritten werden soll, wird in verschiedenen Lebens- und Arbeitszusammenhängen, verschiedenen Territorien und Kulturen, verschiedenen Diskursen und Praxen unterschiedlich gezogen. In manchen Zusammenhängen verzichtet man lieber ganz auf sie, weil, nur zum Beispiel, ein Nachbar oder ein Vorgesetzter, der ein erkennbarer Nazi ist, immer noch ein Nachbar oder ein Vorgesetzter ist. Die Toleranz gegenüber faschistischen Tendenzen liegt in der DNS der westlichen Nachkriegsgesellschaften, und der deutschen, österreichischen oder italienischen ganz besonders. Drei Folgen dieser Melange aus Integration und Abgrenzung sind unübersehbar:
1. die offenen Felder zwischen bürgerlich-konservativen, rechtspopulistischen, neurechten und offen neofaschistischen Impulsen.
2. die Unfähigkeit der Gesellschaft, den eigenen Faschismus-Gehalt zu bestimmen, und
3. die freie Bewegung von präfaschistischen oder para-faschistischen Symbolen, Phantasien, Begriffen und Ritualen in dieser Gesellschaft.
Die Antwort auf die Eingangsfrage, nämlich: Können wir überhaupt vernünftig über Faschismus im Allgemeinen und Faschismus in nächster Nähe sprechen, lautet schlicht: Nein. Das können wir nicht. Der Gegenstand ist zugleich zu komplex und zu nahe, Distanzierung zugleich notwendig und unmöglich. Um dem Dilemma zu entgehen, schlage ich, nach der Methodenvielfalt – also statt der einen und umfassenden Theorie, ein Netzwerk der Faschismus-Theorien, das sich seiner Widersprüche und seiner Löcher durchaus bewusst ist – und statt der hierarchischen Behandlung – der faschistische Staat, die faschistische Gesellschaft, die faschistische Kultur, das faschistische Subjekt, die faschistische Sprache – noch eine weitere Wanderung in Subsysteme anhand von zwei Phänomen vor, die den Vorteil haben, sich der genaueren Beobachtung nicht entziehen zu können. Das eine ist die Beobachtung eines Prozesses. Eine Person, eine Gruppe, eine Institution, ein Medium, ein Diskurs kann dabei beobachtet werden, wie sie als Reaktion auf äußere oder innere Widersprüche, auf Kränkungen, Phantasmen, Ängste oder Begierden, faschistische Züge annehmen. In unserem Alltag sprechen wir dann gern von Radikalisierung, von Wanderungen nach rechts, von Verschmutzungen und Vergiftungen sogar. Wir können solche Prozesse als Faschisierung begreifen; vorgefundene Elemente werden in einen Prozess einer Transformation eingebaut, der mehr oder weniger schnell, mehr oder weniger bewusst und mehr oder weniger offensichtlich ablaufen kann. Man kann als Beispiele etwa die Faschisierung von so genannten Impfgegnern sehen, die Faschisierung von Autoren und Künstlern und ihrer Adressaten, die Faschisierung von Szenen musikalischer Subgenres, die Faschisierung von Sprachspielen usw. Die Elemente, die in einen solchen Prozess der Faschisierung eingebaut werden, lassen sich als Proto- oder Partialfaschismen bezeichnen. Thomas Ehrenfest versteht darunter »tragende Elementarteile oder notwendige Puzzlesteinchen eines ›reifen‹ Faschismus«. Wir haben also einmal eine Unmenge von zunächst isolierten Bausteinen, die wir Partialfaschismen nennen, und dabei gibt es größere und kleinere, häufiger anzutreffende und seltenere, verschiedenfarbige und verschieden funktionale Elemente. Und wir haben auf der anderen Seite des Bauens eine Bearbeitungsweise, die wir Faschisierung nennen, und dabei gibt es wiederum verschiedene Geschwindigkeiten, verschiedene Bauweisen, verschiedene Architekten. Alles das indes läuft auf ein gemeinsames Ziel hinaus, nämlich die Wieder- oder Neu-Errichtung des gesamten, des »reifen«, des totalen Faschismus (unter Umständen unter neuem Namen und mit einigen »Korrekturen« gegenüber dem historischen Vorbild). Partialfaschismen als Elemente und Faschisierungen als Prozesse haben gegenüber allen allgemeinen und totalen Vorstellungen von Faschismus einen entscheidenden Vorteil: Wir können vernünftig darüber reden, wir können sie detailliert und konkret beschreiben, wir können die Kritik schärfen, denn hier sind »Einzelfall« und »Struktur«, im Gegensatz zum »totalen« Faschismus-Diskurs, kein Gegensatz, sondern eine dialektische Einheit. Und diese Kritik hat einen klaren Gegenstand: Eine bürgerliche, kapitalistische, liberale und pragmatische Gesellschaft, die in sich und aus sich Bewegungen und Elemente des Faschismus zulässt oder hervorbringt. Diese Bewegungen und Elemente sind, Methodik und Willen vorausgesetzt, zu beschreiben und zu kritisieren. Die Ausgangsthese also lautet: Die Nachkriegsgesellschaften des Westens, die sich als alternativ zum deutschen, italienischen und japanischen Faschismus und zum Sozialismus sowjetischer oder maoistischer Prägung verstanden, waren zugleich politisch-ökonomisch-kulturelle Gebilde, die Partialfaschismen integrierten, also auch Faschisierung von Gesellschaftsteilen ermöglichten, und das gilt auch für die Siegermächte, die ihre demokratische Kultur als Modell anboten. Eine Geschichte der amerikanischen und britischen populären Kultur legt das so nahe wie die Wendung der französischen Intelligenz nach rechts. Eine Gesellschaft wie die unsere ist ohne Partialfaschismen und ohne Faschisierungsmöglichkeiten nicht zu denken. Um den Begriff noch einmal zu schärfen, muss hinzugefügt werden: Der deutsche Nationalsozialismus ist hundertprozentig faschistisch, aber nicht jede Form von Faschismus ist hundertprozentig nationalsozialistisch. Das bringt eine juristische und kulturelle Fehleinschätzung hervor, dergestalt, dass nämlich das Faschistische dann nicht fundamental bekämpft werden kann oder muss, wenn es nicht eindeutig nationalsozialistisch oder »hitleristisch« ist. (Bemerkenswerterweise kann sich ja die putinistische Propaganda auf »Nazis« einschießen, ohne dass der Begriff Faschismus fällt.) Ein Grenzbild wäre eine Gesellschaft, die sich von innen heraus aufgrund einer Ansammlung so genannter »unpolitischer« oder auch »ungefährlicher« Partialfaschismen unter dem Mantel der semantischen Unwissenheit faschisiert. Diesen Zustand haben wir bereits hinter uns, spätestens nachdem die neue Rechte und die so genannten Post-Faschisten Antonio Gramscis Idee von der kulturellen Hegemonie gekapert haben und bewusst meta-politische Elemente taktisch und strategisch einsetzen. Der erste Trick dabei, und dabei folge ich noch einmal Thomas Ehrenfests wichtiger Arbeit Blitzkrieg Pop. Partialfaschismen und ästhetisierte Mythen des Faschismus in der Popkultur, bevor ich dann begrifflich und theoretisch meiner eigenen Wege gehen muss, dieser erste Trick ist die Trennung von Form und Inhalt. Wird ein partialfaschistischer Inhalt vermittelt, behauptet er steif und fest, nichts Schlimmes gemeint zu haben, da ja keine faschistische Form untergekommen sei. Werden indes faschistische Formen, Ästhetiken und Symbole verwendet, behauptet man ebenso steif und fest, keine partialfaschistischen Impulse zu transportieren, da man ja mit den isolierten Formen gar keine faschistischen Inhalte gemeint habe. Auf diese Weise werden durch ihre Trennung sowohl partialfaschistische Inhalte wie auch partialfaschistische Zeichen frei verfügbar und sind in der Pop-Kultur nomadisch unterwegs. Die eine Seite spielt »frivol«, ironisch, provokativ, subversiv, karnevalistisch usw. mit faschistischen Formen, Symbolen, Zeichen und Begriffen, die andere gibt faschistische Inhalte weiter, ohne dabei die inkriminierten Formen, Begriffe, Zeichen zu verwenden. Diese Partikel nun wieder treffen auf die Klischees, die Charaktere und die Idyllen des Unterhaltungsbodensatzes mit seinen Bezügen zu Heimat, Volk, Nation und Familie und reagieren damit. Das Dreieck aus faschistischer Form, faschistischem Inhalt und »volkstümlicher« (Medien-) Kultur ist perfekt. Nicht nur, aber vor allem in der populären Kultur können wir also zwei Arten von Partialfaschismen unterscheiden: Die faschistische Form, die ihre Beziehung zum faschistischen Inhalt leugnet, und der faschistische Inhalt, der seine Beziehung zur faschistischen Form leugnet. Nehmen wir als zweite Matrix die unscharfe Gleichung von Faschismus und Nationalsozialismus, so ergeben sich die unterschiedlichsten Variationen des nicht haftbaren Faschismus, nur zum Beispiel die faschistische Form, die keine Beziehung zu einem nationalsozialistischen Inhalt oder die keine Beziehung zur nationalsozialistischen Form zugeben will oder das nationalsozialistische Objekt, das jenseits aller faschistischen Formen und Inhalte Historie repräsentiert. Neben der reinen Semantik tut sich hier die zweite Grauzone auf: Zwischen der »Erinnerungskultur«, die angeblich den anti-faschistischen Konsens der Kultur widerspiegelt, und der historisch-mythischen »Beschwörung« entsteht eine besondere Ambivalenz. Wir erinnern uns noch gut der Zeiten, in denen Mainstream-Presseerzeugnisse ihre Auflage durch eine beinahe schon serielle Abwechslung von unbekleideten Frauen und Adolf Hitler auf den Titelbildern steigerten. (Die Verbindung von Sexualität und Faschismus als Präsenz des Verbotenen in der medialen Sozialisationsgeschichte reicht tief in Alltag und Medien aller westlichen Gesellschaften, einschließlich der israelischen.) Es gibt also formale Partialfaschismen, die Zitate der politischen Zeichen, die Simulation faschistischer Rituale, die faschistische Ästhetik, und sei es die von Künstlern, die man auch in Teilen der liberalen ästhetischen Diskurse anerkennt, Leni Riefenstahl, Ernst Jünger, Veit Harlan usw., die uniforme, soldatische Ausrichtung, faschistische Spruchweisheiten à la »Meine Ehre heißt Treue« oder Ähnliches, Körperbilder und Architekturpartikel usw. Vier Impulse begegnen sich da: Ein bewusstes taktisches Spiel mit der faschistischen Form, die subjektive oder kollektive Nostalgie, die sich im Familienroman oder im heimatlichen Milieu festsetzt, das frivole, karnevalisierte Maskenspiel, das zugleich Identifikation und mehr oder weniger ironische Distanz signalisiert, und schließlich ein vollkommen unbewusstes oder unterbewusstes Sprechen und Zeigen. Wenn eine deutsche Sportreporterin einen Sieg kommentiert, indem sie einem Sieger einen »inneren Reichsparteitag« attestiert, ohne dass sie sich dabei irgendeines semantischen Vergehens bewusst wird, dann zeigt sich daran, wie sehr partialfaschistische Elemente Teile von Sprache, Biographie und Phantasiewelt geworden sind. Es gibt auch diese grammatische Form dafür: »ES spricht«. Das heißt auch, es gibt partialfaschistische Äußerungen, die sich direkt der Akzeptanz und Sympathie des Mainstream andienen, und es gibt andere Partialfaschismen, die gerade der Provokation und der Schock-Wirkung dienen. Das Hakenkreuz an der Lederjacke des Punks sagt augenscheinlich nicht »Ich bin ein Nazi«, sondern es sagt »Ihr könnt mich alle am Arsch lecken« – wir übersehen dabei freilich keineswegs, dass auch faschistische Bewegungen jugendliche Dissidenz zu nutzen wussten. Wir tun also gut daran, der rotzigen Unschuld eines solchen Zeichens zu misstrauen. Partialfaschistische Elemente können ihre Beziehung zu Form oder Inhalt des Faschismus auch insofern verleugnen, als sie sie ihrerseits auf vor-faschistische Impulse beziehen – wie zum Beispiel Kulte um nordische Mythen, um Helden-Konstruktionen, um religiöse und para-religiöse Vorstellungen, um heroische Kunst-Kulte, um Historisches oder um Dinge eben, die immer schon so waren oder die wir immer schon so gesehen haben, nur zum Beispiel die Phantasmen der Homophobie, des Antisemitismus, des Autoritarismus. Die Arbeit oder das Spiel mit Partialfaschismen werden dadurch erleichtert und ihre Kritik dadurch erschwert, dass der Faschismus oder die Faschismen weder eine konsistente Theorie noch einen ästhetischen Kanon hervorgebracht haben. Genauer gesagt: Das, was wir gemeinhin faschistische Ideologie nennen, ist selber nichts anderes als ein Gemisch von Mythen, Projektionen, Phantasmen, Symbolen, seriellen narrativen Fragmenten, Totem- und Fetisch-Aktualisierungen usw. Allerdings handelt es sich bei diesem »Brei« nicht um zufällige oder wilde Mischungen, sondern alle Elemente stehen im Dienst einer einzigen »endgültigen« Form: Der Errichtung einer symbolischen Weltordnung, in der (wie Elias Canetti am Beispiel von Albert Speer aufzeigte) Vernichten und Errichten eine Einheit bilden. Wenn sonst nichts wäre, was die unterschiedlichsten Faschismen miteinander verbände, so wirkte doch der gemeinsame Wille, alles sowohl körperlich als auch semantisch (also symbolisch) zu vernichten, was nicht-faschistisch ist. Und wie das Faschistische selbst ist auch das Nicht-Faschistische nicht auf bloßes (wenn auch anti-zivilisatorisches und unmenschliches) Interesse zu reduzieren. Noch im kleinsten Phänomen des Partialfaschismus spukt die Sehnsucht nach der endgültigen symbolischen Ordnung der suggestiven Welt. Faschistisches Gedankengut wird selbst in den manifesten und totalen Formen wie dem deutschen Nationalsozialismus weitgehend in den Formen vermittelt, die man anderswo als Unterhaltung ansieht. Niemand hat das übrigens besser gewusst und besser beschrieben als ein gewisser Dr. Joseph Goebbels. So viel Partialfaschismus die Unterhaltung enthält, so viel Unterhaltung enthält der Faschismus. Wenn man die mediale Geschichte des Nationalsozialismus untersucht, fällt einem auf, dass im konstanten Fluss der faschistischen Bilder, Begriffe und Narrative immer Platz ist für Partialbürgerlichkeit. Diese Partialbürgerlichkeit, die ihren Kontext ja dennoch kaum leugnen kann, wird im Übrigen in der deutschen und österreichischen Unterhaltungskultur fortgesetzt, nicht allein in der nostalgischen Wertschätzung für Schlager oder Filme »aus jenen Tagen«, sondern auch in einer besonderen Präsentationsform. Sportberichterstattung, Heimatserie, Melodrama und Komödie setzen eine faschistische Unterhaltungslinie fort, die auf den ersten Blick weder zur faschistischen Form noch zu faschistischen Inhalten zu führen scheint (und schon gar nichts, natürlich, hat man mit »Nazis« oder »Hitlerei« zu tun). Erst beim Blick auf das Fahnenmeer, die markigen Menschenlinien bei der Nationalhymne oder beim Schwärmen für den gesunden Patriotismus werden wieder Anschlussstellen offenbar. Oder in der hysterischen Abwehr von Kritik und Dissidenz bei solchen Feiern der »Identität«.

II
Nun können wir die sozusagen rezente Fortdauer des Faschismus in der Kultur unserer Gesellschaft auf vier Ebenen beschreiben: Die Fortdauer der Formen – der Zeichen, Symbole, Riten, Designs etc. Die Fortdauer der Inhalte – die Homophobie, der Rassismus, der Autoritarismus, die völkische und ständische Identität etc. Die Fortdauer der Sprache und der Sprechweisen – der Ufa-Stil in Film und Fernsehen, die familiären Sprachspiele, die Metaphern Und schließlich die Fortdauer der Objekte und Traditionen – das materielle Erbe, die reale Hinterlassenschaft, der Fetisch der Erinnerung und Aneignung. Auch der Handel mit den Devotionalien war ja stets eine der Spuren in die doppelte Aufhebung. Das reicht von den Beutezügen durch die Flohmärkte bis hin zu weltumspannenden Auktionen. Offensichtlich ist die Zahl derer, die für einen Stahlhelm mit SS-Runen oder eine Koppelschnalle mit entsprechender Gravur ein kleines Vermögen bereithalten, immer noch groß, wie der einschlägige Anzeigen- und Internetmarkt verrät. Noch im Jahr 2022, als man die Gefahr der neofaschistischen Aneignung nun wirklich nicht mehr leugnen konnte, wurden in Maryland etwa Hitlers goldene Uhr (1,1 Millionen Dollar), ein Adler aus der Reichskanzlei (200 000 Dollar) oder eine Schreibunterlage mit Parteiinsignien an private Sammler verkauft. Der jüdische Dachverband European Jewish Association (EJA) forderte eine Absage der Auktion: »Der Verkauf dieser Gegenstände ist abscheulich«, so der Vorsitzende Rabbi Menachem Margolin in einem offenen Brief an die Veranstalter der Auktion, die allerdings offenkundig für die kostenlose Reklame dankbar waren. Das mag ein kleiner Hinweis darauf sein, wie scheinhaft unpolitische Partialfaschismen sich durch den Trotz gegen ihre kritische Benennung aktivieren. Dazu haben wir in der europäischen Rechten ein rhetorisches Modell. Man provoziert auf der oben beschriebenen Semantik der Partialfaschismen, bis sich Widerstand dagegen zeigt, dem dann sofort der Gestus der Viktimisierung folgt: Irgendetwas zwischen Spielverderberei und Gutmenschen-Diktatur (gefolgt von »Ausland«, »Lügenpresse«, »Intellektuelle«, »Linke«, am Ende: Juden). In den rhetorischen Memen »Wir lassen uns ... nicht verbieten«, »... wird man doch noch sagen dürfen« und »Man wird in die rechte Ecke gestellt, bloß weil ...« kommt auf tückische Weise das Latente des Partialfaschismus zur manifesten Aussage. Erst indem man »es sich nicht verbieten lässt«, wird die volkstümlich-harmlose zu einer politischen Aussage. Die Abwehr der Kritik in der Opferrolle ist die perfekte Verknüpfung der »Einzelfälle« und Privatfaschismen. Um die Wirkungen im Dreieck von Form, Inhalt und »volkstümlichem« Konsens zu verstehen, muss man vielleicht auf die Semantik der faschistischen Formen und Zeichen zurückgehen. Die faschistische Form ist eine symbolische Form. Eine symbolische unterscheidet sich wesenhaft von einer allegorischen Form. Die symbolische Form bedeutet nicht ihren Inhalt, sie ist ihr Inhalt. Die Einheit von Sein, Bedeuten und Handlung ist in der symbolischen Form mehr oder weniger »heilig«. Als Beispiel kann die symbolische Form des christlichen Abendmahls verwendet werden, Brot und Wein stellen für einen Teil dieser Religion nicht Leib und Blut des Messias dar, sondern sie sind es. Der Nationalsozialismus als Beispiel für den totalen Faschismus inszenierte solche mystischen Einheiten unentwegt. Das Hakenkreuz, nur zum Beispiel, ist keine Darstellung, sondern eine Einheit von Bezeichnen und Handeln. In der Umkehrung ist der Krieg – oder das Kriegerische, ohne das kein Faschismus auskommt, zugleich reales, politisches, technisches und organisches Handeln und Symbol (nämlich die Erzeugung der Identität, in deren Namen es ausgeführt wird). In den faschistischen Symbolen vereinen sich der äußere und der innere Krieg. Faschismus bedeutet unter anderem, die gesamte Welt symbolisch zu verstehen, also in einer Grammatik, in der das Bezeichnende und das Bezeichnete miteinander verschwimmen, aber dieses »Verstehen« hat nicht die Form von Begreifen oder Modellieren, sondern die Form von Unterwerfen. Jedes faschistische Zeichen verlangt Unterwerfung und droht mit Vernichtung; jede symbolische Handlung des Faschismus ist zugleich Eroberung und Vernichtung. Das Verhältnis dieser Grammatik zur nicht-faschistischen, insofern diese überhaupt noch als etwas anderes wahrgenommen wird, als das Zu-Vernichtende, ist daher ausschließlich taktischer Natur. Nach den taktischen Vermittlungen von Formen und Inhalten ergibt sich dort, wo das eine wieder mit dem anderen Verbindungen herstellt (an einem terroristischen und an einem populistischen Ende), die semantische Katastrophe der Post-Demokratien: Der bürgerlich-liberale und der konservativ-faschisierte (und faschisierende) Teil der Bevölkerung sprechen nicht nur anderes, sondern vor allem anders. Die symbolische Welt- und Sprachordnung des Faschismus (und seiner Vor-Formen) und die wissenschaftlich-pragmatische Welt- und Sprachordnung des Liberalismus haben längst alle Diskurs-Brücken abgebrochen. Die zuvor taktisch voneinander geschiedenen Elemente von Form, Inhalt, Tradition und Unterbewusstem finden sich als Symbolwelten und Weltsymbole wieder zusammen, gegenüber einem »hilflosen Antifaschismus«, der diese Symbolwelt nicht verstehen hat können (oder auch wollen). Die Totalität des Faschismus beginnt also nicht erst mit seiner Herrschaft, sondern mit der vollendeten symbolischen Einheit von Bild und Wirklichkeit. Weder das »Faktische« noch das »Moralische« sind in dieser Einheit vorhanden (es sei denn in jenen Partialbürgerlichkeiten, von denen die Rede war), wohl aber lässt sich alles Symbolische blitzrasch mit dem Interesse kurzschließen. Der symbolische Kern des Faschismus, die Wirklichkeit als Zeichen und das Zeichen als Wirklichkeit, ist keineswegs nur eine semantische Marotte eines (von mehreren) »totalitären Systems«; vielmehr verlangt jede symbolische Ordnung das Opfer. Die Verbindung der Partialfaschismen und die Verknüpfung der Faschisierungen sind nur durch das Opfer, durch die Gemeinschaft der Gewalt zu erreichen. (Die wiederkehrende Erzählung vom jungen Neofaschisten, der seinen privatfaschistischen Eltern eben diesen Mangel vorhält: Aus dem Leben in den Symbolen keine Welt der Symbole zu erzeugen.) Private, kollektive und schließlich soziale Bewegungen der Faschisierung formen sich auf der Basis verwendbarer Partialfaschismen zur Einheit der Symbolik und das heißt auf der gemeinsamen Überzeugung von der Einheit von Bezeichnen und Handeln. Der hilflose Antifaschismus unterstellt dem Faschismus ein »Narrativ« (zusammengesetzt aus Vorurteilen, Ignoranz, Verschwörungsphantasmen, Rassen-»Wahn« und barbarischer Aggression usw.), aber was sich in Faschisierung und Partialfaschismus ergibt, ist nicht eine andere Erzählung der Welt, sondern eine andere Welt. So wird vielleicht ein wenig verständlich, wie sich Menschen, scheinbar ohne Not, von einer offenen liberalen Welt zu einer geschlossenen Welt ohne Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität bewegen. Sie müssen sich und die Welt anders begreifen. Sie ziehen eine symbolisch geordnete Welt einer praktisch-chaotischen vor. Warum? Weil sie es wollen? Weil sie es können? Weil sie es müssen? Oder weil eines ins andere übergeht? Und wo fängt das an?

III
Man könnte wohl behaupten, jede bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft trage die Keime der Faschisierungen und die Räume für die Partialfaschismen und damit also den eigenen Untergang in sich, woraus eine gewisse Ambivalenz der bürgerlichen Gesellschaft entsteht: Sie ist ja einerseits das Gegenbild zur faschistischen Gesellschaft, andrerseits aber ist sie auch der Geburtsort, oder jedenfalls eine Transformationsmaschine für viele Partialfaschismen. Faschismus hat sich in der bürgerlichen Gesellschaft von Nationalstaat, Industriekapitalismus und subjektivem Liberalismus herausgebildet in der Form von Ableitungen, Ventil- und Sündenbockfunktionen, Nischen und Subkulturen, von Männlichkeitskulten, Retromanien und Verschwörungsphantasmen. Alles, was diese Gesellschaften an Ängsten, Zweifel, Unkenntnis, Widersprüchen, Defekten und Dilemmata hervorbringen, kann auch in der Form von Partialfaschismen »aufgefangen« werden. In den »guten Zeiten« ähnelt das also einem vielleicht etwas zweifelhaften Therapieversuch, in den Krisen dagegen droht als Krankheit auszubrechen, was ansonsten als fiebrige Traumarbeit geduldet war. Diese Gesellschaft hat den in ihr eingelagerten Faschismus nicht nur nicht verstanden; sie hat ihn (in den Formen der Faschisierungen und der Partialfaschismen) nie verstehen können, weil sie sich sonst hätte selbst verstehen müssen. (Das wäre gleichsam der endgültige Abschied von einer symbolischen Weltordnung.) Wenn wir uns an das Dreieck von Form, Inhalt und volkstümlicher Kultur erinnern, so wird Letzteres ja immer auch als eine Idylle von Heimat und Natur betrachtet, in der genau dies nicht stattgefunden hat: die Trennung von Bezeichnendem und Bezeichnetem. In der Idylle bildet die Welt noch die ersehnte symbolische Einheit, doch das Idyll (und das »bürgerliche« zumal) ist, wie wir aus unserer Geschichte wissen, stets bedroht und stets von einer Schutzmacht abhängig. Erst der National- und Polizeistaat macht es möglich, in den Wald zu gehen, ohne die Räuber und Wölfe so fürchten zu müssen, dass sich Heimatlichkeit nicht einstellen mag. Die Konstruktion der Idylle selbst verlangt demnach gleichsam naturgemäß nach dem großen Anderen, der Autorität, der Ordnung, die sie gegen die Realitäten der Welt schützt. An den Grenzen der Kapitalisierbarkeit von Idyllen lauert daher zunächst die Verschwörungsparanoia (von der Idylle als Paradies der symbolischen Weltordnung ist nur noch die Furcht vor jenem und jenen geblieben, die sie einem wegnehmen wollen) und dann der Faschisierungsschub: Es kann schließlich nur »das Fremde« sein (auch: die Vernunft, die Kritik, die Sprache), das zum Verlust der Idylle führt. (Hier entsteht sozusagen die Schrebergarten-Version der faschistischen Einheit von Errichten und Zerstören: Das Idyll entsteht zugleich mit dem Vernichtungswillen gegenüber inneren und äußeren, realen und eingebildeten Bedrohungen.) Wieso können sich bürgerliche Menschen eine sogenannt wilde Landschaft als »schön« vorstellen? Was macht ihr romantisches Glück perfekt? Der Umstand, dass diese Stätte der beschaulichen Begegnung von kleinem Paradies und natürlicher Weite von einer übergeordneten Macht, von Staat, Polizei, Militär, Bürokratie, Diskurs und Ästhetik geschützt ist. Denn ohne diesen Schutz wäre hier ja nichts als Gefahr zu entdecken. Die Räuber und Mörder hinter jeder Ecke, die Natur, die sich dann eben doch nicht so bändigen ließ, das Labyrinthische und Uneindeutige, das einen in die Wirrnis führt oder auch eine Erhabenheit, die direkt in den Wahnsinn treibt. Die bürgerlich-romantische Idylle und die strikte staatliche Ordnung, die sich durch schwer bewaffnete und bewachte Grenzen schützt, sind eine dialektische Einheit. So verbindet die symbolische Ordnung Ausdehnungsgier und Schrumpfungsangst – oder, um es im Modell der Klassen zu sagen: Aufstiegshoffnung und Abstiegsangst im Kleinbürgertum. (Dem Bourgeois wie dem Proletarier mag Faschismus im Zweifelsfall nützlich erscheinen; zur Persona wird das erst im Kleinbürger und in der Kleinbürgerin.) Man kann es im Einzelfall gewiss nachweisen, und zugleich geht es nicht um den Einzelfall: Diese dialektische Einheit von Romantik und Autoritarismus ist eine der Keimzellen der Faschisierung. Führe einem Menschen ein Idyll vor Augen und drohe, dass es ihm genommen werden soll! Dann muss aus dem Leben in einer Enklave der symbolischen Weltordnung ein Anspruch auf symbolische Weltordnung werden. Oder aus den Partialfaschismen (die man »idyllisch eingehegt« wähnte) eine Forderung nach dem »reifen« oder totalen Faschismus. Diese Totalität ist es im Übrigen auch, die uns das Anwenden von Faschismus-Theorien auf die politische Gegenwart schwer bis unmöglich macht. Woran erkennt man, dass etwa in der deutschen AfD oder in der österreichischen FPÖ eine Grenzlinie zum »echten« also totalen Faschismus überschritten wird? Gleichwohl ist auch hier wiederum eine simple Gleichung nicht angebracht. Nicht einmal die faschistischen Staaten und ihre Organe waren anders als über ihre Partialfaschismen und ihre strategischen Interessen miteinander verbunden. Und auch im Totalfaschismus sind, wie erwähnt, schließlich wieder Partialbürgerlichkeiten eingelagert, was wir sowohl an der nationalsozialistischen Unterhaltungsmaschinerie als auch in der Struktur des Alltags erkennen können. Die Faschisierung der Familie zum Beispiel erfolgte (und erfolgt) bei der großen Mehrheit unter Beibehaltung der bürgerlichen Strukturen und Rituale, mehr noch: Da auch die bürgerliche Familie als Idyll der symbolischen Weltordnung inmitten der rationalistischen und wissenschaftlichen Welt inszeniert wurde, ist das Phantasma ihrer inneren wie äußeren Gefährdung ein geradezu unschlagbares Mittel der Faschisierung. Dazu muss man sich nur die aktuelle Propaganda der Rechten wie Viktor Orbán ansehen, der unter dem Beifall seiner Getreuen verkündet, dass nicht etwa Krieg, Klimakatastrophe oder Wirtschaftskrise, sondern vielmehr die Flüchtlinge, das Gendern und die Schwulen primäre Probleme seien. Für einen Menschen mit gesundem Menschenverstand ist das einfach paranoider Blödsinn, für einen Faschisten aber, der in eine symbolische, nicht in eine ökologische, soziale oder auch nur wirkliche Welt strebt, ist es die reine Wahrheit. Der bürgerliche Konservatismus spielt dem Faschismus insofern in die Hände, als er den symbolischen Ordnungen die Begriffe von Wert und Geschichte überträgt. Genau dies konnte zu einer Haltung führen, man sei im Faschismus sozusagen aufgehoben oder auch nur untergebracht, ohne Teil seiner äußeren Herrschaft zu sein. Die Idylle wie der symbolische Ausweg des Teilfaschismus wenden sich, wenn sie sich in Gefahr sehen, an den idealen Gesamtfaschisten, an die Partei und an die Führer, das heißt immer auch an äußere und innere Gewalt. Wo sie im Inneren nicht mehr funktionieren, verlangen sie nach Veräußerung. So kommt, in der zwanghaften Faschisierung der Sprache zum Beispiel, mit der verdrängten (»verbotenen«) Semantik von Tradition und Familie, immer auch die Verlustangst zum Ausdruck. Der verlangte Bruch mit einer symbolischen Weltordnung (wenigstens als Teilkultur) und der Verlust der Idylle (als »Bewahrungsort« oder symbolische Weltordnung) verbinden sich schließlich zu einer gemeinsamen Gestik, in der die widersprüchlichsten Aussagen an der diskursiven und ästhetischen Außenseite ein fundamentales Verlangen nach innerer Geschlossenheit umgeben. Wer dazu Beispiele benötigt, beschäftige sich mit den phänotypischen Erscheinungen einer »Querdenker«-Prozession, wo sich Partialfaschismen, Idyll-Konstruktionen, »Wert«-Fetische mit Resten älterer Protestund Kritik-Bewegungen verknüpfen.

IV
Jeder Partialfaschismus wird von der liberalen Gesellschaft als heilbarer Defekt angesehen und meistens dementsprechend verharmlost. Wir werden doch nicht jeden AfD-Wähler in die rechte Ecke stellen! Wir werden doch nicht jeder pubertären Modetorheit das Liebäugeln mit dem Faschismus ankreiden! Wir werden doch keine durchgeknallten Künstler als Faschisten bezeichnen, nur weil sie ... Wir werden doch nicht ein Systemelement der sozialen Institution, sagen wir: die Polizei, unter Generalverdacht stellen, nur weil aus ihr immer wieder rechtsextreme Gruppen und rechtsextreme Verknüpfungen entstehen usw. Wir werden doch niemanden als Nazi verdächtigen, nur weil er im Keller Hitler-Devotionalien hortet. Wir werden doch keine Pop-Gruppe als rechtsextrem verdächtigen, nur weil sie ironisch gebrochen, nicht wahr, mit Diskursen und Projektionen der Nazis spielt. Aber viel schlimmer: Wer zum Teufel sollte denn das Alarmsystem, die Organisation der Kritik, das Whistleblowing, die Diskursarbeit, die wissenschaftliche Feinarbeit, die Modellierung der Gegenkräfte organisieren? Würde dann aus dem hilflosen ein illiberaler und aus dem illiberalen ein autoritärer Antifaschismus? Wir haben es also mit einer unheiligen Dreieinigkeit zu tun: Die aus politisch-sozialen und kulturellen Milieus aufsteigenden Tendenzen zur Faschisierung, das Vorhandensein ästhetischer, semantischer, mythischer und ideologischer Partialfaschismen und die Entstehung von Personen und Institutionen, die in der Lage sind, diese Elemente auf medien- und öffentichkeitswirksame Weise zu bündeln und damit neue Ansätze für einen Faschismus mit Totalitätsanspruch zu bilden. Vielen Menschen unserer Gesellschaften wird erst Letzteres zum Alarmsignal, und einer großen Anzahl nicht einmal das. Die Dreieinigkeit auf der anderen Seite ist nicht minder erschreckend: Die Ignoranz von Menschen, die mit dem eigenen Leben und Überleben unter den verschärften Bedingungen des Krisenkapitalismus beschäftigt sind, ein Milieu des linksliberalen, ökologisch-semantisch korrekten und woken Kleinbürgertums, das sich mehr mit den Spannungen in der eigenen Blase beschäftigt als zu gesamtgesellschaftlichem Engagement und Analyse zu befähigen, und ein Staat, der nicht nur seine Gesellschaft, sondern vor allem seine Kultur so weit neoliberal verkommen ließ, dass es keine Instrumente der wirksamen Diskurs-Abwehr mehr gibt. Was ist die erste spürbare (und eben: symbolische) Folge der politisch und volkswirtschaftlich absolut unsinnigen »Rückkehr zur schwarzen Null« in der BRD? Sehr richtig: Einsparungen in Wissenschaft und Bildung, Einsparungen bei Aufklärung und Information, Einsparungen genau dort, wo die Fehler des Systems erkannt werden könnten. Unser Vertrauen in unsere Bildungseinrichtungen mag ohnehin nicht mehr sehr hoch sein, und doch ahnen wir, dass es mehr als eine Sottise ist, wenn ein Donald Trump die Abschaffung des Bildungsministeriums fordert. In einer symbolischen Weltordnung ist dafür kein Platz, dort ist »Bildung« (im alten Sinn) Teil des Feindlichen. Durch seine Dreifaltigkeit hat der Faschismus im Raum, in dem die Auseinandersetzung um die kulturelle Hegemonie stattfindet, bereits bessere Positionen als der Antifaschismus. Der Staat des Neoliberalismus ist weder Willens noch in der Lage, daran etwas zu verändern, nicht zuletzt deshalb, weil Partialfaschismen und Idyllenkonstruktion sowohl Teil der Gouvernalität als auch Teil der ökonomischen Feinsteuerungen sind. Am Neofaschismus wird gut verdient, und mit Mini-Faschisierungen kann gut regiert werden, so einfach ist das.

V
Dass die Partialfaschismen heute möglicherweise noch eine größere Wirkmacht haben als in den Jahrzehnten vor der Vitalisierung in einem faschistischen Staat, das hat auch mit der Veränderung des Interdependenzgeflechts des Menschen in der Zeit des Finanz- und Onlinekapitalismus zu tun. Norbert Elias hat in seiner Zivilisationsgeschichte von der »offenen Persönlichkeit« gesprochen, die an die Stelle der geschlossenen Persönlichkeit in der vormodernen Zeit tritt. Sie ist durch die Arbeits- und Freizeitprozesse mit mehr Anschlussmöglichkeiten ausgestattet, zeigt sich stets kontrollierend und kontrolliert in Bezug auf andere. Bei dieser offenen Persönlichkeit tritt zunehmend an die Stelle der Kontrolle von außen der »Zwang zur Selbstkontrolle« – eine Aufgabe, an der man eben auch scheitern kann. So wird im Inneren die scheiternde Selbstkontrolle, was im Äußeren die bedrohte Idylle ist, nämlich ein Anschub für Faschisierung. (So verwundert uns im Übrigen kaum noch die Verknüpfung von neofaschistischen und organisiert-kriminellen Subkulturen, die nicht allein durch das Männerbündische und die Gewaltrituale verbunden sind. Auch hier will die offene wieder zur geschlossenen Persönlichkeit werden; man will, nachdem man sich vom Zwang zur Selbstkontrolle befreite, die große Kontrolle von außen und in der symbolischen Weltordnung wieder haben.) Die offene Persönlichkeit braucht indes, um ihr Auseinanderfallen zu verhindern, bestimmte kulturelle Hilfestellungen und Orientierungen. Sie muss die Interdependenzen in der Arbeit und in der Kommunikation als erfolgversprechend, glücklich und moralisch empfinden. Und doch bleibt die offene Persönlichkeit in gewisser Weise von ihrer Abhängigkeit, von ihrer Verletzlichkeit und von ihrer Unvollkommenheit in der Nicht-Autonomie bedroht. Die Persönlichkeitskrise, die im Konkurrenz- und Statuskampf wahrscheinlich ist, und sich keineswegs reduzieren lässt auf das bloße Absinken im Kampf um Aufstieg und Abstieg innerhalb des Kleinbürgertums, läuft immer wieder darauf hinaus, zur geschlossenen Persönlichkeit zurückzukehren. Wir sprechen im Allgemeinen von der medialen oder milieubedingten oder einfach subjektiven Produktion eines geschlossenen Weltbildes, also etwa eines geschlossen rechtsextremen Weltbildes, das heißt ein Weltbild, in dem die Totalisierung der Faschisierungen und der Partialfaschismen bereits abgeschlossen ist. Aber diesem Produzieren des geschlossenen Weltbildes geht das Schließen der Person an sich voraus, das von objektiven wie von subjektiven Faktoren beschleunigt werden kann. So greift die Verbindung von Partialfaschismen und Faschisierungen in die einzelne Biographie. Der Höhepunkt der Körper-Faschisierung ist die Produktion eines autonomen Männerkörpers als Waffe. In einer faschistischen Hierarchie, dies eine paradoxe Befreiungsphantasie, gibt es keine innere Interdependenz mehr, sondern nur noch eine äußere, mechanische und abstrahierte: Befehl und Gehorsam, Führer und Volk, Symbol und Handlung, Masse und Maschine etc. Im symbolischen Weltsystem ist Befehl und Gehorsam nicht etwa eine Verkettung von Ursache und Wirkung, oder eine Relation zwischen Macht und Ohnmacht, nicht einmal eine Beziehung zwischen Wissen und Einsicht, sondern ganz einfach eine symbolische Einheit. Im Faschismus haben Befehl und Gehorsam eine erotische Beziehung, man verschmilzt zu einer heiligen Einheit, ganz so wie Führer und Volk oder eben wie Zeichen und Bezeichnetes. In diesem System wird der Mensch wieder zur geschlossenen Persönlichkeit, die selbst in einem gewaltigen Ornament der Masse oder in einer Vernichtungsmaschine nicht von anderen abhängig ist, da jedes einzelne Teil der Menschmaschine jederzeit ersetzt werden kann. Faschismus ist eine paradoxe Befreiung von den anderen. Die Interdependenz als komplizierte Abhängigkeit voneinander wird ersetzt durch das Prinzip, das sich im Symbol allgegenwärtig und allmächtig gemacht hat. Ein »Kamerad« ist etwas vollkommen anderes als etwa ein Kollege. Die geschlossene Persönlichkeit, die sich körperlich manifestiert, hat nicht nur den Vorteil, Teil einer kollektiven Unbesiegbarkeit zu sein (in der der eigene Tod einkalkuliert und mit Ehre und Anerkennung belohnt aufgewertet ist), sie ist auch unempfindlich gegenüber emotionalen, intellektuellen oder moralischen Bindungen. Und diese faschistische Autonomie wird beständig eingeübt und praktiziert; sie muss sich schließlich als struktureller Sadismus zeigen, sie benötigt die exemplarische Vernichtung als Gegenbild. Es gibt keinen befriedeten Faschismus; wenn es an äußeren Feinden mangeln sollte, wendet er sich nach innen und entdeckt in eben dem Kameraden, der nicht vollständig seinen Part in der Maschine erfüllt, das nächste Objekt der sadistischen Vernichtung. Die geschlossene Persönlichkeit kennt kein Mitleid. Das bedeutet, dass Partialfaschismen und Faschisierungen keineswegs nur kulturelle und semiotische Prozesse der Welterklärungen und Handlungsanweisungen sind, sondern auch in die Tiefenstrukturen der Subjekte greifen. Faschist-Werden ist viel mehr als eine Überzeugung annehmen oder einem Narrativ folgen oder in einer Symbolwelt einen Platz finden. Es ist eine Form der Persönlichkeitsstruktur. Und daher ergibt sich ein neues Dreieck: die faschistische Form, der faschistische Inhalt und das faschistische Subjekt. Diese, gewiss etwas zugespitzte kleine psychoanalytische oder zivilisationsgeschichtliche Modellierung kann nun, wie wir vordem Zeichen, Symbole und Riten vom Faschismus auf die populäre Kultur übertragen haben, um dann ein semantisches Fortwirken zu verfolgen – ein Bedeutendes, das angeblich ohne eindeutige Bindung an sein Bedeutetes fortexistierte, so als wäre dein Hakenkreuz nicht das Zeichen einer mörderischen Bewegung, sondern nur Zeichen eines allgemeinen Dissenses mit bürgerlicher Ruhe – auf Persönlichkeits- und Helden-Zeichnungen der populären Kultur projiziert werden. Und nun begegnen wir einer erschreckenden Vielzahl von Personen, die eine solche Rückkoppelung von den Interdependenzen, der offenen zur geschlossenen Persönlichkeit bereits vorgenommen haben. Diese Autonomie wird in der Regel als Freiheit ausgegeben. Tatsächlich wird man subjektive Faschisierung nie verstehen, wenn man nicht das Element der persönlichen Befreiung darin betrachtet, eine Befreiung, die paradoxerweise sowohl eine vom Ich ist (nämlich vom Zwang zur Selbstkontrolle, oder, anders gesagt: von Verantwortung) und eine Befreiung von den Anderen (den Anforderungen der Interdependenz, die ständig neu justiert und kritisch verändert werden müsste). In einer Form des Helden in der populären Kultur wird diese Befreiung mythisch vorweggenommen. Diese Helden-Persönlichkeit erhebt sich über die Struktur der Interdependenz, zum Beispiel, um als Polizist den Mörder zu entlarven, der das System der Interdependenzen auf die Spitze treibt oder es stört, wie man es nimmt, als Künstler, der sich den Zumutungen von Moral und politischer Ökonomie in der eigenen Produktion entzieht, oder eben als Protagonist der populären Kultur, der dem Zwang zur Langeweile in der Idylle entgehen will. Wir haben diese geschlossene Persönlichkeit als Körper à la Schwarzenegger oder Stallone, als Resilienz oder Haltung wie bei Eastwood, oder als moralische Autonomie wie bei unseren Tatort-Kommissarinnen und Kommissaren, von denen wir wissen, dass Interdependenz ihre Schwäche und Autonomie ihre Stärke ist. (Im günstigsten Fall, vielleicht weil es in der offenen Kultur des Pop immer auch Selbstheilungskräfte und Selbstreferenzen gibt, wird der Anflug von subjektiver Faschisierung den Helden und Heldinnen selbst zum Problem.) Keineswegs soll damit behauptet werden, dass nun diese Konstruktionen immer auf ein Ideal des faschisierten Menschen hinauslaufen, wenn sich die Bilder auch in bestimmten Wellen mit anderen Impulsen verbinden, wie etwa der Rachephantasie nach 9/11, der Hater-Phantasie nach den Finanz- und Immobilienkrisen, oder dem sich militarisierenden und nationalisierenden Impuls, an der Seite der angegriffenen Ukraine gegen das angreifende Russland zu stehen. Die Rückkehr der geschlossenen Person wird indes auch zum Teil der allgemeineren Retromanie, der Sehnsucht nach einer guten alten Zeit, die es nie gab, und sie wird, umgekehrt, zum Idol der gerade wegen eines Krieges ausgerufenen »Zeitenwende«. So wie nur der geschlossene Mensch den verräterischen Impulsen der Interdependenzen widerstehen kann, so kann nur die geschlossene Nation den verräterischen Impulsen der Globalisierung entgegenstehen. Es gibt schließlich Situationen, so erkennt der kollektive Narrator, in denen nur der teil-faschisierte Mensch bestehen kann. Er bekommt seine Chance, aus dem symbolischen Untergrund in den realpolitischen Vordergrund zu gelangen. Die Partialfaschismen aus dem kollektiven Unterbewusstsein der populären Kultur und die Partialfaschismen aus dem Bereich der medienpopulistischen Politik beginnen in den Krisen-Situationen einen makabren Tanz miteinander. Auch von diesen ließe sich, hätte man denn Atem und Kraft, nahezu jeder Schritt beschreiben.


I rrsinig
D eppat für den S
e ll
n er iss
d ass W
i r wissen wo er wohn
t
Ä tschibätsch
R ollmops !




michael L. puntsch scheißt an krapfen:
der fallt auf's rathaus und tötet den rathausmann.
der kanal färbt sich rosa und die donau bleibt braun.



"ÖÖsterreich braucht einen PRINZ !
"so, ich bin daa, ich bin bereit, ich kann das, ich bin schön, mein frisööa iss scheiße"
"blöde fundis im bekennerschreiben: ich war nii iibiza! ich kleinwalsere.
da lieben mich die menschen. die, die gern hart arbeiten. und beten.
und kleine kinder mögen. AMEN.

"mit allah's wille haben wir nur scheiße im hirn"

tiefe trauer um selfie: war depremiert und sprang vom donauturm
"wollte mein blödes gesicht nicht mehr sehn"

das wetter ist total blöd geworden:
es kennt sich nimmer aus

unendlich verblödeter reichtum:
reiche verbrennen geld und kaufen nichts mehr

finanzminister erblödet sich nicht und erfindet neue steuer:
wer blöd hinfällt zahlt krücken-steuer

strache ist['s] zu blöd. er haut ab. sucht noch versteck.
alle helfen mit – fast

charly verliert kappl und schimpft:
„wii blöd kann ma sein“

rating-agentur entblödet sich nicht sich zu entblöden:
stuft sich selber auf triple X